Stellungnahme zur Diskussion um die Impfpflicht
Wer so wie ich monatelang den Menschen erzählt hat, dass es mit der Union keine Impfpflicht geben wird, darf nicht von heute auf morgen seine Meinung ändern und das mache ich auch nicht. Aus gutem Grund und aus Überzeugung habe ich diese Meinung ebenfalls im Wahlkampf vertreten.
Es muss einen geordneten parlamentarischen Prozess geben, im Rahmen dessen eine allgemeine Impfpflicht unterschiedlichster Ausführung (alle über 18 Jahre, nur Risikogruppen, etc.) neu verhandelt und bewertet wird. Nach einem solchen Prozess werde ich abwägen, ob ich dafür oder dagegen bin und eine entsprechende Entscheidung treffen. Ein „Überstülpen“ einer allgemeinen Impfpflicht ohne weitere Beteiligungsverfahren, Anhörungen, Debatten in den zuständigen Ausschüssen (Gesundheit, Recht, etc.), im Plenum des Deutschen Bundestages und daraufhin im Bundesrat wäre für mich undenkbar.
Die Menschen müssen mitgenommen werden
Einige Dinge möchte ich zusätzlich klarstellen. Eine allgemeine Impfpflicht hat für die aktuelle Infektionswelle nur marginale Auswirkungen, da der vollständige Impfschutz erst nach einigen Wochen besteht. Fest steht: Sollte es zu einer allgemeinen Impfpflicht kommen, müssen die Menschen mitgenommen werden. Sowohl Ausnahmen für behinderte Menschen, Personen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können oder einen nachgewiesenen Impfschaden haben, als auch Regelungen mit Blick auf Kinder und Jugendliche müssen sich in einem solchen Gesetz wiederfinden. In einem weiteren Schritt gilt es sicherzustellen, dass genügend Impfstoff frei wählbar sowie flächendeckend zur Verfügung steht und die dazugehörige Infrastruktur belastbar ist.
Außerdem muss mit einer allgemeinen Impfpflicht einhergehen, dass die kostenfreien Bürgertests, ortsnah und zeitlich unbegrenzt möglich sind. Eine allgemeine Impfpflicht kann das Gesundheitswesen zwar sicherlich vor extremer Überlastung schützen, da tödliche oder schwere Covid-19-Verläufe unwahrscheinlicher werden. Eine vollkommene Sicherheit in Form eines Freibriefs gibt es jedoch nicht. Auch das gilt es klar zu formulieren und kommunizieren. An oberster Stelle muss der Mensch stehen – dann kommen so wichtige Gesichtspunkte, wie die Rechtssicherheit. Wissenschaft und Medizin müssen den politischen Entscheidern daher auch zukünftig bei allen mit einer allgemeinen Impfpflicht einhergehenden Fragen fachlich beratend zur Seite stehen, die Sachlage perspektivisch bewerten und erklären. Persönlich kann ich mir aktuell keine allgemeine Impfpflicht vorstellen.
Der politischen Prozessen rund um die allgemeine Impfpflicht
Lange habe ich den Ausführungen der Bundesregierung in Sachen „allgemeine Impfpflicht“ zugehört und mir deren Argumente erklären lassen, doch nun halte ich es für angemessen, dass ich als langjähriges Mitglied des Ausschusses für Gesundheit im Deutschen Bundestag meine Position dazu beziehe.
Wer regieren will, muss führen, wer führen will, muss seine Ziele begründen, Verantwortung übernehmen, Gesetzesvorschläge erarbeiten und dem Parlament unterbreiten. Diese können der Opposition für richtig oder ausbaufähig vorkommen. Trifft letzteres zu, ist es die Aufgabe der Opposition die angedachten Regelungen zu kritisieren, weitere Sichtweisen und Vorschläge einzubringen sowie zu debattieren. Deshalb gibt es ein parlamentarisches Verfahren mit Rede und Gegenrede.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist sich im systematischen Gesetzgebungsprozess einig, wie die Positionen sowie Aufgaben verteilt sind und ist aktuell dabei, ihre Position konkret festzuzurren. Dabei herrscht große Einigkeit über die inhaltliche Vorgehensweise.
Gruppenanträge als politische Ablenkungsmanöver
Wir als Union erachten die nun angestrebte Lösung über Gruppenanträge als politisch unsauber und als ein plumpes Ablenkungsmanöver unter dem Deckmantel eines angeblich neuen Politikstils, um die fehlende Regierungsmehrheit zu kaschieren. Tatsache ist nämlich, dass große Teile der regierenden Ampel-Koalition einer allgemeinen Impfpflicht kritisch gegenüberstehen und somit keine parlamentarische Mehrheit bei diesem Thema besteht. Dass dieses politische Ablenkungsmanöver, mit Gruppenanträgen zu agieren, die eigene sachliche Zerrissenheit vertuschen soll, ist gleichzeitig ein netter und vergifteter Versuch die Opposition in die Pflicht zu nehmen. Hierbei mit Formulierungen wie „ethisch notwendig“ oder „überfraktionelles Handeln bei Gewissensentscheidungen“ zu argumentieren, finde ich unanständig und dreist.
Das wird besonders mit Blick auf das Thema § 219a StGB deutlich. Hier können die Regierungsfraktionen eine stabile Mehrheit auf die Piste bringen und benötigen daher die Lösung über Gruppenanträge nicht. In diesem Fall empfindet man es nicht als eine „ethische Gewissensentscheidung“, wenn es um eine Aufhebung des Werbeverbots zur Tötung ungeborenen Lebens geht. Diese Haltung ist mir zutiefst unverständlich und entlarvt die handelnden Personen. Es gilt der Grundsatz für jede Regierung: „Diskussion ersetzt Führung nicht!“. Wer eine Impfpflicht will, muss liefern und darf nicht nur labern.